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Bericht vom 31.03.2016

Karfreitag 2016: Musik zur Sterbestunde

Diedrich Buxtehude – Membra Jesu nostri, Kantatenzyklus zur Passion

© Jutta de Vries

Karfreitag: Musik zur Sterbestunde
Diedrich Buxtehude – Membra Jesu nostri, Kantatenzyklus zur Passion
25. März 2016
©Jutta de Vries


Wie sagte einst der heilige Kirchenvater Augustinus so treffend: 
„Wer singt, betet doppelt stark“


Und hatten wir nicht alle, Musikerinnen, Musiker und Gemeinde am Karfreitag in der St.Wilhadi-Kirche genau dieses starke Gefühl, das sich aus der Musik heraus in einen wie auch immer zu bezeichnenden Himmel erhob?


In der Tat ist das schöne, wenig aufgeführte Werk, das Buxtehude für seine berühmten Abendmusiken in Lübeck schrieb und dem schwedischen König, seinem damaligen Landesherrn, widmete, eine Meditationsübung der reinsten Form.
Es ist eine Andacht, die nicht das Passionsgeschehen als Handlung kommentiert wie es in den dramatischen Oratorien von Schütz oder später von Bach der Fall ist, sondern sich auf Betrachtung und Anbetung beschränkt. In sieben Kantaten werden die sieben geschundenen Körperteile des Gekreuzigten aufsteigend fokussiert: Füße, Knie, Hände, Seite, Brust, Herz und Antlitz.


Der lateinische Text ist neben der Vulgata, der lateinischen Bibelfassung,  dem Anbetungsgedicht „rhythmica oratio“ aus dem 12. Jt. entnommen; der Dichter soll der Zisterzienserordens-Gründer Bernard de Clairvaux  sein. 


Unglaublich für eine solche Kantate, dass sie nicht der pietistischen Schere zum Opfer fiel  - vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen der tiefen Individual-Mystik des gotischen Mittelalters zur  emotional tief und körperlich fast erotisch empfundenen,  dramatisch explodierenden  metaphysischen Vorstellungskraft der physischen Leiden im Passionsgeschehen bei den Menschen im 17. Jt.


Dass die sieben Kantaten eine gedankliche Einheit bilden, zeigt die musikalische Klammer der verwandten moll-Tonarten. Besondere meditative Ruhe ist in der Form vorgegeben, die im Wesentlichen dem gleichen Schema folgt: Sonata, Chor, Verse für Solostimmen in verschiedenen Zusammenstellungen, Schlusschor. 
Die letzte Kantate mündet in eine bewegte und bewegende Amen-Fuge.


Rundum gelungen ist die dichte, schlanke Interpretation des Ensembles mit den vier Solisten Annegret Schönbeck, Nicole Dellabona, Henning Kaiser und Florian Günther.
Die Streicher des Hamburger Barockorchesters  und Martin Böckers Orgelcontinuo sind wie immer  musikalisch hoch sensible Partner
KMD Hauke Ramm setzt für diese Musik der Stille den Kammerchor der Stadtkantorei ein, mit 19 Stimmen ist er durchsichtig besetzt, zeigt Stimmpotenziale und ist so gut einstudiert, daß der Blick frei sein kann. Ramm läßt viel Gestaltungsspielraum, auch wo er dynamisch noch präziser und stringenter hätte führen können.


Besonders schön und hörgenau ist die eindrucksvolle Klangrede zur sechsten, der Herz- Kantate, die ein Höhepunkt des Werks und des Abends ist. Die besondere Instrumentierung  der Innerlichkeit mit 5 Gamben und Orgel bringt genau den mystischen Klangteppich hervor, der von Herz zu Herzen geht.
Eindrucksvoll, bewegend, über den Tag hinaus. 


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