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Bericht vom 27.01.2013

Peter Paul Rubens als Malerfürt und Diplomat

Vortrag zur Studienreise nach Wuppertal

© Jutta de Vries

Peter Paul Rubens als Malerfürst und Diplomat
Vortrag VHS Stade 17. Januar 2013
©Jutta de Vries


Heute geht es um eine schillernde, hochbegabte, zentrale Figur der Kunstgeschichte:
Die Rede ist vom Malerfürsten Peter Paul Rubens.
Was meinen Sie, meine sehr geehrten Herren und Damen, ist Peter Paul Rubens ein Deutscher Maler?
Wenn man ein Internet-Profil von ihm erstellen würde, hörte sich das ungefähr so an:
#Rubens, Peter Paul
*28. Juni 1577 in Siegen
#Migrant
#1589, mit 12 Jahren Rückkehr in das Heimatland südliche Niederlande, Wirtschafts-Hauptstadt Antwerpen
#Besuch der Lateinschule, humanistisches Studium, Page bei Margarete de Ligne, einer deutsch-niederländischen Reichsfürstin in Antwerpen.
#1591 Malschüler, 1598 wird er Freimeister in der Antwerpener Lukasgilde
#1600 bis 1603 Italienaufenthalt, Hofmaler in Mantua, Auftragsarbeiten in Rom 
#Ende 1603 zeichnet sich die erste diplomatische Mission ab: im Auftrag des Herzogs von Mantua reist er als Überbringer von Geschenken  an den Hof Philipp III. nach Spanien.
#1608 kehrt er nach Antwerpen zurück
#Hofmaler beim Niederländischen Statthalter in Brüssel
#Lebensmittelpunkt Antwerpen, Entwicklung der berühmten Malerwerkstatt, der ersten „Factory“ des Kunstmarktes. Erfindung des Copyrights auf Stiche nach seinen Gemälden, „cum Privilegijs Regis“
#Geadelt vom Kaiser; vom englischen König mit dem Hosenbandorden geehrt
#1626 stirbt Rubens’ Frau Isabella Brant 34jährig an der Pest
#1630 heiratet er die 16järige Helene Fourment, die fortan sein liebstes und schönstes Modell wird.
#1640 stirbt Rubens nach heftigen Gichtanfällen und einer Lähmung der Hände.


Das magere Gerüst wollen wir noch füllen, denn vieles lässt  doch aufhorchen: 
Die Geburt in Siegen: nein, er ist kein Deutscher, sondern waschechter Niederländer, und da blättert sich schon ein ganzes Geschichtsbuch vor uns auf:
Es ist die Zeit der Glaubenskriege, die mit der Reformation, dem Anschlag der Thesen Luthers zu Wittenberg 1517, also mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor, begann. Damals waren die Niederlande durch Erbfolge spanische Provinz und wurden von Statthaltern regiert. Daher sollte am Katholizismus festgehalten werden (Cuius regio, cuius religio). Wenn Familien der Lehre Calvins, der in den Niederlanden predigte, folgen wollten, wurden sie vertrieben. So ging es dem Vater von Peter Paul, Jan Rubens, der ein angesehener Antwerpener Jurist und Schöffe war. Er wurde zwar „nur“ verdächtigt, verließ aber seine Heimatstadt schon 1568 im Zuge der ersten Kriegswirren  und ließ sich - echter Asylant - in Siegen nieder.
1579 führten diese religiösen – aber auch sicher andere politische Hintergründe – zur Teilung der Niederlande. Die protestantischen nördlichen Provinzen ungefähr die heutigen Niederlande, bilden die Union von Utrecht mit dem Prins van Oranje als Statthalter und sagen sich 1581 von der spanischen Krone los. Die südlichen Niederlande, das heutige Belgien, schließen sich in der Liga von Arras zusammen und erkennen den spanischen König Philipp II. weiterhin als ihren rechtmäßigen Landesherrn an.
Antwerpen, die wichtige Handels- und Hafenstadt im Herzen der Provinzen an der Schelde-Mündung, ist umkämpft, es gibt große Affinität zum neuen Glauben, man möchte sich den nördlichen Provinzen zuwenden.
Der König will die reiche Stadt aber behalten, und erst nach verlustreichem einjährigen Kampf ergibt sich die Stadt.
Das heißt aber keinesfalls „Sieg“. 80 Jahre wird dieser verlustreiche Konflikt dauern, in dessen Verlauf Siege und Niederlagen sich abwechseln, schließlich mit dem 30jährigen Krieg das restliche Europa mit in den Strudel des Untergangs gezogen wird, bis am Ende beider Kriege, die ja zeitweise parallel verlaufen, beim Friedensschluß in Münster/Osnabrück 1648, ganz Europa in Schutt und Asche liegt und mehr als 2/3 der Bevölkerung verloren hatte.


1588 schon hatte Spanien die erste riesengroße Niederlage erlebt, als die englische Armada die gesamte spanische Flotte vernichtet. Damit wird Spaniens Götterdämmerung sozusagen eingeleitet. Und wir müssen uns immer bewusst sein, dass  Peter Paul Rubens in seiner gesamten Lebzeit von 62 Jahren keinen Frieden gekannt hat.
Nach dem Tode des Vaters zog die Mutter mit den 3 Kindern wieder nach Antwerpen, die politische Situation schien sich zu entspannen, der Protestant Henri IV von Navarra kam in Frankreich auf den Thron. Wie wir ja wissen, hat er zwar jedem Bürger sonntags sein Huhn im Topf  ermöglicht und ihnen im Edikt von Nantes Religionsfreiheit zugesichert, ganz Europa war aber ein einziges Pulverfass, und die Sache konnte nicht gut gehen. (Er konvertiert, was aber seiner schlußendlichen Ermordung nicht nützt)


Nirgendwo wird berichtet, wie sich der junge Peter Paul in die für ihn fremde Umgebung eingewöhnte – dass er keinen Migrantenmäßigen Schulknick hatte, steht jedoch fest, wenn man seine sorgfältige humanistische Bildung betrachtet. Sicher sprach er neben griechisch und Latein noch französisch, niederländisch, englisch, hochdeutsch und spanisch – beste Voraussetzungen für einen Diplomaten. Außerdem bewegte er sich in den besten Kreisen: zu seinen langjährigen Freunden und Brüdern in der elitären Romanus-Bruderschaft, einem philosophischen Kreis, gehörten Justus Lipsius, Bürgermeister Nicolaas Rockox, Franciscus Sweertius, Kaufmann und Sprachgelehrter, Joannes Woverius, Lateinprofessor, Balthasar Moretus, der Besitzer der großen Kunstdruckerei, Joannes Brant, der Vater seiner Frau Isabella oder Cornelis van der Geest. „Es verband sie die Leidenschaft zum Wissen, zur Erkenntnis und zum Schönen“ wie Otto Zoff sagt.
Nach seinem Aufenthalt in Italien hatte er in Antwerpen ein großes Atelier aufgemacht, in dem eine Anzahl von später berühmten Malern zeitweilig arbeiteten, u.a. Jan Breughel oder Anthonis van Dyck. Seine wichtigsten Auftraggeber waren das Statthalterpaar Erzherzog Albrecht von Habsburg und Erzherzogin, Isabella. Sie ist die Tochter Philipp II. Aufträge repräsentativer Art zur Ausgestaltung der Residenzen in Brüssel und in Antwerpen, wo er den großen Ratssaal mit einer Anbetung der heiligen drei Könige ausstattet, werden gefolgt von Porträtaufgaben, sowohl aus dem höfischen Umfeld als auch in der reichen Antwerpener Bürgerschaft. Dabei kehrt Rubens wieder zu dem in der Renaissance üblichen Brustbild zurück, die Idee der Ganzfigurenporträts, die den Auftraggeber meist in einem Umfeld oder hoch zu Roß zeigen, treten zurück. 


Sein in Italien geschulter Stil des chiaroscuro, die dramatischen Körperführung und expressive Anatomie der Figuren, die grandiose Illusionsmalerei, die Bewegung und Tiefe im Bildraum hervorruft und nicht zuletzt seine leuchtende Farbpalette, die an Tizian und Michelangelo anknüpft, machen ihn zum künstlerischen Genie des 17. Jahrhunderts. Sein Name ist ja schon Programm für das berühmte tiefe rot. Sein Werk umfasst Porträts, Landschaften, Genrebilder, mythologische Werke wie es in seiner Zeit „in“ war, betrachtet man aber vor allem die späteren  Werke auf der Folie seiner diplomatischen Mission, könnte man meinen, er wolle auch mit diesen schönen Darstellungen einer friedlichen Welt an die Kriegsparteien appellieren, endlich Frieden zu schließen.
Übrigens waren ihm alle Techniken von der Zeichnung über den Tiefdruck, farbige Papierarbeiten  oder Ölgemälde auf Holz und Leinwand bis hin zu den berühmten Karton-Vorlagen für riesige Tapisserien geläufig.  


Der Kirche als weiterem bedeutendem Auftraggeber verdanken wir eine Vielzahl geistlicher Gemälde, an denen man sehr gut die "Politisierung" der Religion ablesen kann. 
Schwerpunkt ist die Schaffung religiöser Werke aus dem Geist der Gegenreformation im Auftrag des extra dafür gegründeten Jesuitenorden, der gerade in Antwerpen gut zu tun hatte, weil die Bürger, wie wir schon gehört haben, eher freigeistig dachten, wie das eben in großen Handelsmetropolen üblich ist. 
Beim Betrachten der geistlichen Bildwerke Rubens' darf man die „heimlichen Botschaften“ des äußerst gebildeten Künstlers nicht übersehen, der einer verschwiegenen Gruppe humanistisch gebildeter, freigeistiger, "heidnischer" Katholiken zuzurechnen ist. Dort im geistlichen Werk und vor allem auch in seinen historisch-politischen Bildern versteckt sich so mancher Appell. Da er das politische, höfische Parkett seit seiner Jugend kennt, weiß er geschickt damit umzugehen. Seine Werke leisten tagespolitische Kommentare zu den Kriegsereignissen in Europa, immer stellt er Friedensvisionen oder Schreckensvisionen von Krieg und Gemetzel dar. Seine höchsten Auftraggeber Maria de’Medici in Paris, Karl I in London oder Philipp III/IV von Spanien nutzten ihn als diplomatischen Unterhändler in malerischen Diensten; er schrieb Situationsberichte von den Höfen, führte Friedensverhandlungen am englischen Hof .„Kein anderer Künstler“ sagt Dr Gerhard Finck vom vdHeydt-Museum Wuppertal, „wirkte mit seiner Kunst so direkt auf die politischen Prozesse seiner Zeit. Malend gelang es ihm gerade in schwierigen Missionen, den Akteuren Visionen mit tagespolitischer Zuspitzung vor Augen zu führen und so die Möglichkeit zur Überwindung der Konflikte zu eröffnen“


Inzwischen hatte sich der spanisch-niederländische Krieg mit dem 30jährigen Krieg in ganz Europa verbreitet. Sie erinnern sich – Fenstersturz des kaiserlich-Ferdinandischen Gesandten in Prag, man wollte einen protestantischen König. Daher führte ab 1618  eine kaiserliche Liga gegen die protestantische Union Krieg, 30 Jahre lang, bis 1648 beide, der 80- und der 30jährige Krieg, mit einem Friedensschluß in Münster und Osnabrück beendet wurden.


Diesen Triumph hat Peter Paul Rubens leider nicht mehr erleben dürfen – was wäre das für ein Friedens-Jubel-Bild geworden!
Aber schon 1639  ging es Rubens so schlecht, dass er sein eigenes Grabkapellen-Gemälde für die Grablege der Familie in der  Jacobuskerk malte. Schließlich stirbt er an einem schweren Gichtanfall am 30. Mai 1640 in seinem Haus in Antwerpen, 62jährig.


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